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Tuesday 1 April 2008

KUNST UND ARCHITEKTUR

Kunst und Architektur in der Fondation Beyeler

Renzo Piano: »Ein Museumsbau sollte die Qualität der Sammlung zu deuten versuchen und ihre Beziehung zur Aussenwelt definieren. Diese entspricht einer aktiven, nicht aber aggressiven Rolle.«(Renzo Piano- Fondation Beyeler S. 119)
Als Leitmotiv gilt das Zitat: »Calme, Luxe et Volupte«


Analyse der Grundelemente (Wände, Raum, Licht und Stille) der Fondation Beyeler:

White Cube;
Dieser Begriff kommt unter anderem aus der Computertechnik. White Box (Cube) testing wird verwendet um die Stabilität von Programmen ohne äussere Einflüsse zu testen. Der Begriff geht also von einer sterilen Umwelt aus.
In der Architektur wurde dieser Begriff schon wesentlich früher formuliert.
»Die Entwicklung der freischwebenden weissen Zelle gehört zu den Triumphen der Moderne. ... Die weisse Zelle hielt das Philistertum draussen und erlaubte es der Moderne ihre unablässigen Versuche, sich selbst zu definieren, zu einem Ende zu bringen....« (B. O`Doherty: In der weissen Zelle, Berlin 1996 S.88f.)
Der Begriff, der vor allem in der Konzeptkunst verwendet wird, thematisiert einerseits die Tatsache, dass der Ausstellungsraum selber auch ein - ästhetisch so zurückgenommen und neutral wie möglich gestaltetes - Raum-Objekt darstellt, das trotz scheinbarer Neutralität auf den Betrachter Einfluss nimmt. Seine ästhetischen Wurzeln hat der White Cube in der Architektur der Moderne, die die nackte, weiße Wand als Überwindung des Historismus propagierte. Andererseits steht der Begriff White Cube auch für eine Institutionskritik in der Kunst: Der White Cube ist die Institution, die Bedeutung und Wert verleiht, als heilige Halle adelt er erst die Werke von Künstlern und transformiert sie zu Kunstwerken. Er ist also keinesfalls neutral gegenüber den Kunstwerken. Dabei entscheidet der Kurator, welchen Künstlern diese Rang-Zuweisung zuteil wird. Was im White Cube stattfindet oder ausgestellt wird, ist klar als Kunst und Hochkultur identifizierbar. In der Notwendigkeit eines besonderen, abgetrennten Ortes für Kunst manifestiert sich eine Trennung der Sphären von Kunst und Alltag.
Die Kritik des White Cube betrifft die Unbestimmtheit des Raumes, die durch die bewusst formale Neutralität erzeugt wird, und die Vertreibung des „Körpers des Betrachters“ aus der Staubfreien Zelle.
In der Fondation Beyeler wird der White Cube teilweise zitiert. Die Wände i.e. die Ausstellungsflächen sind als ultimative Reduktion zu verstehen. Es werden keinerlei technische Details gezeigt.
Die gesamte Technik ist in den Wänden verbau, was zu sehen ist, ist nur ein kleines Lochblech für die Raumklima Sensoren.

Die Idee die störungsanfälligen Werke der klassischen Moderne nicht in einen sterilen Raum (White Cube) auszustellen, ihnen aber trotzdem einen Bezug i.e. Ort zu geben, ohne dabei die Architektur in den Vordergrund zu stellen, wird durch die klare Absetzung von Ausstellungsfläche und Fläche für den Betrachter gewährleistet.

Die Ausstellungsflächen sind Klar vom Boden durch eine Schattenfuge abgesetzt. Auch von der Dachkonstruktion setzen sich die Ausstellungsflächen durch eine Lichtfuge ab.
Die White Cube Elemente i.e. die Ausstellungsflächen wirken frei schwebend.
Um die Proportionen des Raumes, denen der Ausstellungsobjekte anzupassen, sind Trennwände vorhanden. Diese Zeichnen sich durch zweierlei Aspekte aus. Sie sind in ihrer Ausführung mit soviel Volumen versehen um nicht den Anschein von „Trennwänden“ zu erwecken, setzten sich aber gleichzeitig klar von den Wänden ab. Man kann sie als einen Versuch, die Trennelemente in ihrem Volumen als vollwertige Wand darzustellen, im Raumgefüge aber, durch ihre Eigenständigkeit, wandelbar zu sehen.
Renzo Piano gibt den Trennelementen einen Eigenständigkeit die jener der von Arnold Bodes Inszenierten „documenta 1“(Fridericianum, 1955) gleicht, diese aber durch die Absetzung von der Decke etwas relativiert und nicht starr wirken lässt.
Um Kontrast zu schaffen ist der Boden mit einer klaren Dynamik versehen. Diese spiegelt die Dynamik der gesamten Beyeler Fondation mit ihren vier vermeintlich tragenden Scheiben wieder. Durch das Material des Bodens wird die Homogenität der Ausstellungsflächen unterbrochen. Scheint aber zugleich zu sagen: Hier ist Platz für den Betrachter und hier ist der Platz für die Werke. Genau an diesen Details lassen sich die Eigenheiten der privat Sammlung festmachen. Man bekommt leicht das Gefühl hier nur Gast zu sein um die Werke zu würdigen, nicht aber sich mit ihnen tiefer auseinandersetzten zu können.
Durch diese Absetzung der Wände wird die Dynamik des Bodens zurückgenommen. Der Betrachter „schwebt“ zwischen White Cube und klassischer Museumsarchitektur (z.B.: Ausstellungsräume „Altes Museum Berlin, K.F. Schinkel).
Dies scheint die Intension der Auftraggeber gewesen zu sein da Renzo Piano selbst saget:»Das Museum soll ganz der Anschauung von Kunst dienen. [...] Sie können nämlich nicht einfach neutrale weisse Räume bauen, wie die These vom White Cube es will. Die töten die Kunst genauso wie hyperaktive Räume , die das Museumsgebäude zum Selbstzweck machen. «
Die Grätsche zwischen White Cube und der Idee des Ortes scheint gelungen zu sein.
Die Architektur spielt sich wenig in den Vordergrund, wenn gleich auch diese Mischung so verschiedener Museumstypologien den Effekt haben die Kunst in eine überproportional große Rolle zu stecken. Der Betrachter kann sich hier nicht mehr als ebenbürtig verstehen. Er ist der welcher die Gnade zugestanden bekommt die Werke zu betrachten nicht aber zu reflektieren.

Grundsätzlich zeigt die Fondation Beyeler zwei Raumtypologien.
Es wurde der Gedanke des offenen, fliessenden Raumes realisiert. Zu dem hat Piano auch das geschlossene Kompartiment verwirklicht.
Mit dem geschlossenen Kompartiment wird eine Beziehung zum Museumsbau des 19. Jahrhundert hergestellt und zugleich der Forderung des stillen, verinnerlichten Dialoges zwischen Werk und Betrachter nachgekommen.
Die Anordnung dieser Raumtypologien, ist doch etwas überraschend. Die Erschliessung des Inneren erfolgt nicht über die von aussen vermuteten vier linearen Enfiladen. Es wird beim Raumlayout eine Spannung zwischen freier Wegwahl und ungefährer, chronologischer Lenkung aufgebaut.
Durch diese Abwechslungsreiche Raumanordnung sowie durch die Raumtypologie selbst, wird einer Ermüdung vorgebeugt. Dies wird durch die Dynamik der meist länglichen Räume noch weiter unterstützt.
Da die Sammlung Beyeler sehr anspruchsvoll ist, und somit viel Kraft vom Betrachter erwartet, wurde der Westfassade ein Wintergarten zur Erholung vorgeblendet.
Die Räume per se implizieren ein Gefühl, welches den vergleich mit einem offenen Hof nahelegt. Der vergleich mit Michelangelo Simonettis Cortile Ottango im Belvedere des Vatikans (1772) liegt nahe.
Durch das 130 Meter lange mehrfach geschichtet, leicht schwebend wirkende Glasdach, sind die Lichtverhältnisse perfekt. Renzo Piano hat in der Fondation Beyeler die Lichtgestaltung der Menil Collection weiter entwickelt. Das Dach wurde, im vergleich zur Menil Collection beruhigt. Um trotzdem einen Kontrast zur Ausstellungsfläche zu erhalten wurde, die schon erwähntet, Lichtfuge sowie ein Lochblech mit quadratischen Öffnungen als unterstes Dachelement eingesetzt. Das Tageslicht wird durch die verschieden schichten des Dachaufbaues auf ca. 4% reduziert. Dabei erscheint das Licht aber nicht, wie bei vielen anderen Oberlichtern (z.B.: Museum für Gegenwartskunst, Basel), durch ein oparkes Material, diffus milchig, sondern sickert in den Innenraum. Das Licht behält dabei seine natürliche Qualität und Gerichtetheit.
Das Licht wird in den Räumen mit Papierwerken auf ca. 50 Lux, in jenen mit Öl und Leinen auf ca. 200-300 Lux reduziert.
Auch wenn laut Piano das Raumlayout dezent leitend sein soll, verliert man schnell die Orientierung. Die Sammlung selbst verlangt von dem Betrachter die volle Aufmerksamkeit und lässt so wenig Kapazitäten für die Orientierung. Man übersieht schnell einen Raum. Erst nach mehrmaligen begehen erforscht man den gesamten Komplex. Diese Zweit- und Drittbegehungen impliziert natürlich auch eine gewisse Neugierde die nicht negativ gewertet werden sollte, da sie bei jeder Begehung neu Perspektiven auf Werke und Architektur ermöglichen. (Diese Eindrücke sind bei einer Sonderausstellung entstanden. In jener wurden ca. 300 Werke ausgestellt. Die Eindrücke könnten sich hierdurch etwas verzerrt haben).
Die Lichtgestaltung scheint aussergewöhnlich. Das Auge wird durch keinerlei Schatten abgelenkt, verliert aber auch durch diese Kontrastlosigkeit leicht die Orientierung und zeigt so schnell Ermüdungserscheinungen.
Unter Kunstlicht wird der Raum und somit auch der Betrachter ausgeblendet. Die Werke werden nochmals auf eine höhere Stufe gestellt und der Betrachter wird zu einem nichts degradiert.
Die Räume an der Süd- und Nordfassade werden im nächsten Teil behandelt, da sie hinsichtlich Licht und Innen Aussen Beziehung gesondert betrachtet werden müssen.


Innen / Aussen und die Emanzipation des Betrachters;
Die Räume am Nord- und Südende der Beyeler Fondation weisen vollverglaste Fronten auf.
Dies relativiert einen der Hauptkritikpunkte des White Cube. Dessen Abgeschlossenheit nach aussen, mag die formale Neutralität, für die Idee der Autonomie der modernen Kunst dienlich sein. Für die Darstellung der Rolle der Kunst in der Welt erweist sich eine differenzierte Gestaltung zwischen Innen und Aussen, laut Piano, jedoch sinnvoller.
Der direkte Ausblick gestaltet sich, ähnlich wie bei Mies van der Rohe, doppeldeutig.
Einerseits erscheint der Park durch die Verlängerung der Maueren, sowie der auskragenden Dachplatte wie in einem Bild gerahmt. Diesem statischen Eindruck antwortet andererseits die zentralperspektivische Weiterführung der Mauern, diese suggerieren die Fortsetzung des Innenraumes in den Aussenraum.Renzo Piano gestaltete einen der südlichen Räume speziell auf das 9 Meter breite Panoramabild Monet´s »Le bassin aux nympheas«. Betritt man diesen Raum so sieht man zuerst den englischen Landschaftsgarten, welcher durch den tempelartigen Vorbau, passepartouartig ausgeschnitten wird. Der englische Landschaftsgarten erscheint nicht weniger künstlich als das zur linken hängende Bilde Monet´s, welches durch die Wand i.e. Schirm auch gerahmt wird.
»Das Beziehungsgeflecht von Innen und Aussen, Rahmen und Erweiterung, Fläche und Raum, Kunst und Landschaft und die Art, wie der Betrachter in diese verschränkt wird, machen dieses Ambiente zu einem hochdifferenzierten Wahrnehmungsraum, in dem der Betrachter ganz im Zentrum steht.« (Markus Brüderlin, künstlerischer Leiter der Fondation Beyeler)
Auch die Sicht von Aussen nach Innen wird thematisiert und macht die Rolle des Betrachters deutlich. Durch die tribünenartige Landschaftsgestaltung, aber auch von der Rampe des Einganges, fällt der Blick ins Innere. Man erkennt nicht nur die Exponate sondern auch den sich bewegenden Betrachter.
»Während wir uns in dem Raum bewegen, die Wände betrachten und die Objekte auf dem Fussboden umgehen, wird uns bewusst, dass die Galerie noch ein anderes, ein wanderndes Phänomen enthält, den Betrachter « (B. O´Doherty: In der weissen Zelle, Berlin 1996 S.39)

Die Beziehung zwischen Innen und Aussen, sowie die Einbeziehung des Betrachters scheint in der Fondation Beyeler gelungen.

Der Betrachter ist in ein Wechselspiel von autarken Räumen und Räume welche ihre Qualitäten erst durch die Beziehung von Innen und Aussen erhalten eingebunden. Die Kunstwerke per se profitieren nicht immer von den beziehungsreichen Räumen, da sie teilweise nicht stark genug sind um sich im direkten Umfeld der Natur zu behaupten.
Die, durch die Aufhebung der White Cube Theorie, geöffneten Räume bringen viele Schatten und Lichtspiele in den Raum. Durch die hohen und vielen Kontraste ist das Auge sehr abgelenkt.
Dies gilt jedoch nicht für den Monet Raum.
Sitzt man auf der Couch, dem Monet gegenüber, so wird die Bilderfahrung aussergewöhnlich emotional. Durch Reflexionen an der Decke, sowie durch die Schattenspiele am Boden, erwacht das Kunstwerk zum Leben. Die Grenzen von Innen und Aussen scheinen vollkommen aufgehoben zu sein. Die Bildbetrachtung selbst scheint vollkommen nebensächlich zu werden. Es ergibt sich ein Gesamtkunstwerk welches über die Grenzen des Bildes selbst hinauswächst, Natur und Kunst sind nicht mehr von einandere zu trennen.
Dieses Phänomen verhält sich konträr zur Ausstellung selbst. Die meisten Werke der Sammlung werden als autarke, selbstreferenzielle Objekte gezeigt.

Thomas Buseck 2007

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